Ayacucho

Ayacucho

Das Schwarz-weiß-Bild zeigt eine große Halle. An der Decke hängen mächtige Stahlträger und große Belüftungsrohre. In der Halle sind durch dünne Holzwände abgeteilte Schlafmöglichkeiten aufgestellt. Eine Wohneinheit wird aus zwei doppelstöckigen Etagenbetten gebildet, zwischen denen jeweils zwei Spinde und an der Rückwand noch zwei Regale stehen. Nach oben sind die Kabinen offen, zum Gang hin sind sie mit dunklen Vorhängen abgeschirmt. Parallel in mehreren Reihen angeordnet, sind insgesamt dreizehn Einheiten geschaffen worden. An der linken Hallenseite sind die Wände gekachelt und Türen führen (vermutlich) zu den Toiletten und Duschen. Die Halle ist ganz neu gebaut und bezugsfertig, aber noch nicht bewohnt. Im mittleren Gang sind ganz winzig drei Personen erkennbar.

Die Provinz und Stadt Ayacucho (Huamanga) waren in einem zwanzig Jahre andauernden Bürgerkrieg in Perú (1980-1992) mit am stärksten von Gewalt und Terror betroffen. Es ist eine der ärmsten Gegenden des Landes und war das Zentrum der Konflikte zwischen einer revolutionären Bürgerbewegung namens  Sendero Luminoso („Leuchtender Pfad“) und den bewaffneten Streitkräften bzw. der Polizei des peruanischen Staates.  

Gladys Ayllón Yares und Francisco Florentino Condori Miranda haben sich in ihren (→)  Dissertationen aus gewalt-, konflikt- und erinnerungstheoretischen Perspektiven behutsam den persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen dort lebender Menschen an die Zeit des Terrorismus in den 1990er Jahren angenähert. Befragt wurden insbesondere Lehrkräfte, die in dieser Zeit in Ayacucho aufgewachsen sind, damals studiert haben oder in den dortigen Schulen tätig waren.  

Seit 2015 bin ich an verschiedenen erinnerungspädagogischen Projekten beteiligt, die an der Escuela Superior de Formación Docente y Artística Pública Felipe Guaman Poma de Ayala (EPSFA),  einer Pädagogischen Kunsthochschule, unter Leitung von Francisco Florentino Condori Miranda, durchgeführt werden. Die EPSFA bildet seit mehr als 50 Jahren Lehrkräfte für das Unterrichtsfach Kunst an Primar- und Sekundarschulen aus. 

Es konnte ein friedenspädagogischer Weiterbildungsstudiengang für Dozentinnen und Dozenten in der Kunstlehrerausbildung in der Region Ayacucho aufgebaut werden, mit einem Diplom „Educación para la Paz, Mediación y Pedagogía de la Memoria desde el Arte“. In  verschiedenen Schulprojekten werden erinnerungspädagogische Aspekte der Didaktik exploriert, visuelle Unterrichtsmaterialien (Bilder, Fotos, Filme) entwickelt und erprobt sowie entsprechende Fortbildungen für Lehrkräfte durchgeführt. In internationalen Konferenzen werden theoretische, methodologische und ethische Problemstellungen einer kunstpädagogischen Erinnerungsdidaktik diskutiert. 

Memoria wird als sozial und kulturell konstruierte kommunikative und politische Kategorie verstanden und konsequent im Plural verwendet. In den Projekten wird außerdem von  der kunstpädagogischen Annahme ausgegangen, dass sich in Gedichten, Liedern und Gemälden immer auch historische und regionale Erfahrungen widerspiegeln, die nicht nur individuelle, sondern gesellschaftliche Erfahrungen sind. Folglich lassen sich in kulturellen Objektivationen auch soziale Erfahrungen und das kollektive Gedächtnis entschlüsseln.  

Kunst ist ein Weg, Erinnerungen zu schaffen. Lieder, Gemälde, Tänze und Poesie sind kulturelle und ästhetische Artefakte, in denen Emotionen zum Ausdruck gebracht und gleichsam ‚eingefroren‘ werden. Der Dialog mit und angeregt durch Kunst, Kunst machen oder Kunst nutzen, um Räume für kognitives Lernen zu öffnen, können subjektive und kollektive Erinnerungen von Emotionen ausgehend aufbauen oder vertiefen. Die Arbeit an den emotionalen Dimensionen der Memoria ist vielleicht das Wichtigste beim Lernen für den Frieden. 

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