Irak/Iran (2020-2022)
Sechs Hochschulen in Irak (Dohuk und Kufa), Iran (Shahrekord und Isfahan) und Deutschland (die HAW und die Universität in Hamburg) haben sich zusammengefunden, um gemeinsam das Thema Beratung in Handlungsfeldern der Behinderungsarbeit zu explorieren. Die beteiligten Hochschulen bringen Expertisen in Beratungswissenschaft, Psychotherapie, Sozial- und Sonderpädagogik in das Netzwerk ein, in der Kooperation sollen diese Expertisen gebündelt bzw. miteinander ausgetauscht werden.
Im Zuge des Wiederaufbaus der sozialen Institutionen in Irak nach dem Krieg wurden die Unterstützungssysteme für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit einer Behinderung, mit schweren und chronifizierten Erkrankungen oder mit psychischen und seelischen Beeinträchtigungen reformiert. Auch an den irakischen Hochschulen wurde begonnen, entsprechende Studiengänge fortzusetzen oder neue einzuführen, um beispielsweise Personal zur Behandlung im Krieg traumatisierter Menschen auszubilden oder Lehrkräfte auf die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern mit Beeinträchtigungen in Sonderschulen und – im Anschluss an Inklusion – in Regelschulen vorzubereiten.
In Iran finden ganz ähnliche Entwicklungen statt. Insbesondere seit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention wird daran gearbeitet, die Inklusion in den Unterstützungssystemen oder die Barrierefreiheit in öffentlichen Räumen zu erhöhen. Überdies bemüht man sich, auch die Universitäten zu inklusiven Studienorten umzugestalten, um die Zugänglichkeit für Studierende mit Behinderung zu verbessern. Dieselben Herausforderungen sind auch in Deutschland zu bewältigen, wo zeitgleich wie im Iran die Konvention ratifiziert worden war.
Das Netzwerk verfolgt mit dem Projekt drei zentrale Zielsetzungen: (1) Ausgehend von einer intensiven interdisziplinären Diskussion aktueller pädagogischer und psychologischer Theorien und Konzepte zu Beratung bei Behinderung und Beeinträchtigung und (2) einer vergleichenden Reflexion von Praxis- und Organisationsmodellen zur Implementierung von Beratungsstrukturen in den drei Ländern, arbeiten wir (3) gemeinsam an der hochschuldidaktischen Weiterentwicklung in den vorhandenen sonder- und sozialpädagogischen und psychotherapeutischen Studiengängen der beteiligten Universitäten, um dort die Ausbildung professioneller Kompetenzen der Beratung zu integrieren.
Das Projekt fördert überdies den fachlichen Kulturdialog, indem die gewählte Thematik konsequent auf sozio-kulturelle Phänomene wie Migration und Flucht sowie auf multiethnische, multikulturelle und mehrsprachige gesellschaftliche Bedingungen hin bearbeitet wird. Von besonderem Interesse sind folglich Beratungstheorien und -konzepte, die eine transnationale, transkulturelle und interkulturelle Fokussierung haben.
Sozio-kulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Iran und Irak (z.B. Schiiten/Sunniten/Christen; Araber/Kurden/Perser) sowie Herausforderungen bei einer „dialogischen“ Kooperation zwischen Irak/Iran und Deutschland (z.B. strukturelle Asymmetrien, Dominanzverhältnisse) werden in der gemeinsamen Arbeit thematisiert. Wir setzen uns über Geschlechterverhältnisse, kulturelle Zuschreibungen und interkulturelle Konflikte in der Projektgruppe auseinander und nehmen uns Zeit, diese zu bearbeiten.