Toronto

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Das Leitbild und Programm der Africentric School basieren auf der Kwanzaa Philosophie von Maulana Karenga, der African Studies in Los Angeles (USA) lehrt. Er formulierte sieben „Nguzo Saba Prinzipien“: Umoja (Unity), Kujichagulia (Self determination), Ujima (Collective Work and Responsibility), Nia (Purpose), Ujamaa (Cooperative Economics), Imani (Faith) und Kuumba (Creativity). Das Foto zeigt Plakate, die drei dieser Prinzipien mit Symbolen veranschaulichen und die in einem Klassenzimmer aufgehängt waren.

 

Zu den „Afrocanadians“ zählen Gruppen, deren Vorfahren im Kolonialismus mit Zwang nach Nordamerika gebracht worden waren, und jene, die ab den 1960er Jahren vor allem aus der englischsprachigen Karibik bzw. aus Afrika immigrierten. Allerdings hat Kanada lange Zeit die Einwanderung von Schwarzen zu verhindern versucht. Im Jahr 2016 durfte ich einige Tage an der Africentric School in Toronto, der ersten staatlichen Schule nur für schwarze Kinder und Jugendliche Kanadas hospitieren, die 2009 gegründet wurde.     

Eltern, Lehrkräfte und Schülerschaft der Africentric School erzählten mir, dass sie eine solche achtjährige „Black School“ gefordert haben, weil in den kanadischen Schulcurricula die Geschichte und die Lebensrealitäten von Afrocanadians ignoriert würden, weil es nur sehr wenige schwarze Lehrkräfte im Regelsystem gebe und vor allem, weil man den Rassismus in der Regelschule nicht mehr ertragen wolle. Der Schulversuch wird von Carl Lewis und seinem Team an der York University Toronto wissenschaftlich begleitet, mit ihnen konnte ich ausführlich diskutieren. 

 Das Leitbild der Africentric School bezieht sich auf die Kwanzaa Philosophie von Maulana Karenga, der African Studies in Los Angeles (USA) lehrt. Er geht davon aus, dass es traditionelle afrikanische Werte gebe, die sowohl den gewaltsamen Kolonialismus als auch die assimilierende Globalisierung überdauert hätten und einen Gegenpol zur okzidentalen Moderne bildeten. Im Curriculum wird afrikanische Geschichte thematisiert, und im Unterricht soll afrikanische Literatur gelesen und über die soziale Lage von Afrokanadiern gesprochen werden. Das Bildungskonzept verbindet rassismuskritische und identitätsstärkende Zielsetzungen. Ziel ist die Ausbildung einer selbstbewussten „Blackness“ schwarzer Schülerinnen und Schüler, die in der „weiß“ markierten Public School marginalisiert werden. 

 Interessant ist, dass sich die Eltern der Africentric School in Toronto vehement gegen die Einführung der Sonderpädagogischen Förderung wehrten, die an allen kanadischen Schulen bereitgestellt wird. Gründe für diese Abwehr werden in einem Evaluationsberichte genannt:      

 „A critical challenge for administrators and teachers who wanted to modify, alter, and, support the learning experiences for students with exceptionalities was attempting to navigate through the stigma some parents associated with special needs education based on well-founded and historic mistrust of an education system that has over-labeled Black students. […] Special education is extremely political when it comes to Black children. Special education means intelligence; that’s what’s in the minds of Black people because that’s what they have been systematically taught” (James, Carl E. et al. (2014): Africentric Alternative School Research Project: Year 3 Report. Toronto: York University, 46). 

  Hier klingt der weltweit verbreitete biologistische „Rassismus der Intelligenz“ (Bourdieu) an, der u.a. postuliert, schwarze Menschen seien weniger intelligent als weiße, und deshalb könnten sie nur geringe Schulleistungen erreichen.   

Veröffentlichungen zu Kanada
  • Kanada kann auch anders. Vielfältige Schulangebote im „gelobten Land der Inklusion“. In: Zeitschrift für Inklusion, [S. l.], 2016, Ausgabe 4. ISSN 1862-5088. Verfügbar unter: http://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/397
  • „Jugendschulen“ in Kanada. In: Sonderpädagogische Förderung heute 63 (2018) 2, S. 121-131. 
  • Ein „Gewimmel von Diskursen“ zu Inklusion in Kanada. In: Jahr, David; Kruschel, Robert (Hrsg.): Inklusion in Kanada. Internationale Perspektiven auf heterogenitätssensible Bildung. Weinheim und Basel: Juventa 2019, S. 79-91. 
  • Kanada. In: Hartwig, Susanne (Hrsg.): Behinderung. Kulturwissenschaftliches Handbuch. Wiesbaden: Springer 2020, S. 182-186.      
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